Genug experimentiert, jetzt geht es los. Mit dem Prototypen habe ich gelernt, wie ich die Mastscharniere, die Segel, den Rumpf und die Takelage haben möchte. Nun geht’s darum, die gemachten Fehler und gewonnenen Erkenntnisse in ein Buddelschiff zu übertragen das rockt!
Pläne
Den Rumpf nicht aus Balsaholz zu machen hatte ich mich ja schon recht früh entschieden, auch dass er so groß sein sollte, das er nur in mehreren Teilen durch den Flaschenhals kommt. Zusammen mit der Flaschenform, auf die ich ja nun keinen Einfluss hatte, und der Entscheidung, die Rickmer Rickmers zu bauen ist das alles mehr als genug, um ein paar Pläne zu zeichnen:
Kiellegung und Rumpf
Den Rumpf habe ich aus zwei nebeneinander gelegten Vierkanthölzern ausgesägt, und noch einen Kiel darunter befestigt. Damit die Teile in der Flasche richtig zusammenflutschen, sind sie mit Holzdübel und Loch versehen. Der Schiffsrumpf lässt sich mit einer Laubsäge eigentlich nur dann gut formen, wenn die Vierkanthölzer wie ein Stück zusammenhägen, sonst verschieben die Teile sich gegeneinander und passen am Ende überhaupt nicht zusammen. Ich habe sie mit doppelseitigem Klebeband verklebt.
Insgesamt habe ich für diesen Schritt drei Durchgänge gebraucht. Die besondere Schwierigkeit war für mich, dass die Teile ja in der Flasche fast von selbst zusammenfallen sollen, und nicht auf halbem Wege stecken bleiben oder nicht richtig passen. Zu diesem Zeitpunkt ist mir auch klar geworden, dass die Teile des Rumpfs auf gar keinen Fall durch den Flaschenhals passen würden, wenn die Masten mit den ganzen Segeln direkt darauf montiert wären. Aus einer 2mm-Leiste habe ich also noch ein “Oberdeck” geformt und die Masten darauf montiert. Auf dem Rumpf sind links und rechts (Back- und Steuerbords :) schmale Leistenstücke geklebt, damit das Oberdeck nicht seitlich verrutscht.
Wie bei den Rumpfteilen gibt es auch hier einen kleinen Nuppel aus einem Schaschlick-Spieß-Stückchen, das in ein genau passend gegenüberliegendes Loch (Bleistift-Späne zwischen zusammengehörigen Teilen helfen dabei, die Markierungen richtig zu machen) rutschen kann. So hält alles gut zusammen.
Masten, Rahen und Gaffel
Es sind diesmal wesentlich mehr Masten als beim Prototypen, und schon da haben sie die Hauptarbeit verursacht. Aber bangemachen gilt nicht: die Zahnstocher und Schaschlickspieße maßstabsgerecht (naja, frei nach Schnauze) zugeschnitten und weiß lackiert - B. fand es angemessen, dass zumindest eines seiner Playmobil-Männchen hilft. Ja, und in Anbetracht der fürchterlichen Menge von Rahen auf der Rickmers fiel mit die Entscheidung leicht, ein bisschen zu schummeln und keine sechs Segel an jeden Mast zu hängen sondern höchstens vier, das erleichtert die Arbeit weil mehr Platz ist und es sieht auch nicht so pisselig klitzeklein aus.
Segel und Takelung
Die Segel waren ja schon beim Prototypen ganz gut, nur etwas zu kurz. Diesmal habe ich also etwas mehr Luft einkalkuliert und sie auch nicht ganz so stark gebogen. Außerdem ist beim Prototypen schön zu sehen, dass die Segel links und rechts außen total bescheuert wirken, wenn da nicht auch noch ein Faden entlangläuft und es nach hinten zieht. Die Breite der Segel habe ich bei diesem Durchgang also erst nach dem Trocknen zugeschnitten, damit dort in Ruhe ein Faden platziert und verklebt werden kann.
Als Segeltuch kommt sehr feiner Baumwollstoff, der etwa 10 Minuten mit zwei Löffeln Darjeeling gekocht wurde, zum Einsatz. Vom Prototypen war glücklicherweise noch genug übrig, dass alle Segel daraus geschnitten werden konnten.
In der Werft
Die Masten werden komplett mit allen Segeln und Tauen zusammengesetzt und verklebt, bevor sie mit einem Stück Draht (Telefonlitze) am Oberdeck befestigt wird.
Die Taue werden in stehendes Gut (halten Masten fest) und laufendes Gut (zum Einstellen der Rahsegel) unterschieden. Am Buddelschiff habe ich nur die Wanten (halten den Mast links und rechts) und die Brassen (stellen die Rahen an den beiden vorderen Masten ein) überhaupt berücksichtigt und bei denen auch noch die Hälfte weggelassen, weil ich sonst durchgedreht wäre.
Ach, und am hintersten Mast die Besanschot.
Und zwischen den Masten die Stagen, die bis vorne durch den Klüverbaum gehen.
Hmm, vielleicht ist das mit dem Durchdrehen doch zu spät gekommen.
Der Rumpf ist mit wasserlöslicher Acrylfarbe in Weiß, Grün und Rot bemalt. Mehr oder weniger so ähnlich wie die richtige Rickmer Rickmers, wenn man nicht zu genau hinschaut.
Jetzt ist der Punkt erreicht, an dem offensichtlich wird, wie so ein Buddelschiff funktioniert: die Masten können umgeklappt werden und mit den Fäden, die vorne herauskommen wieder aufgerichtet werden.
Stapellauf
Jetzt kommt der Augenblick in dem der Elefant das Wasser lässt der Wahrheit: durch diese hohle Gasse muss es passen. Und was nicht passt wird passend gemacht, denn bangemachen gilt nicht und so jung kommen wir nicht mehr zusammen. Egal, einen Heiermann ins Phrasenschwein und ab dafür.
Tatsächlich gab es ein paar Momente, in denen ich etwas ins Schwitzen kam - etwa als mir klarwurde, dass die Aufbauten auf dem Oberdeck verhindern, dass die Masten sich ganz einklappen lassen. Aber Deckaufbauten können auch wieder entfernt werden, so dass die Masten doch durchpassen - die Aufbauten sind dann hinterher in die Flasche gekommen gaanz, ganz vorsichtig zwischen den Wanten hindurchnavigiert worden.
Oder als der Leim in den Löchern des Kiels bereits angezogen war und die Teile nicht mehr auseinander fielen, aber auch noch nicht richtig zusammen steckten. Mit einem wütendenden Druck auf das verklemmte Scheißding von Kiel ist er dann doch noch an die richtige Stelle gerutscht.
Oder als… ach schiet op, nu is dat shipp ja drin inner buddel.
Zur Unterstützung der habe ich die Hängestangen eines kaputten Wäscheständers zweckentfremdet: Der eine hat einen Haken ans Ende bekommen, ein weiterer eine Öse. Einen sehr feinen Pinsel, einen Zahnstocher und die Abbrech-Klinge eines Teppichmessers habe ich auch noch an Stangen untergebracht. Diese Werkzeuge haben mir gute Dienste geleistet, insbesondere beim kaschieren der diversen kleinen Fehler, die beim Reinschieben des Oberdecks mit den Masten entstanden sind.
Wasser
Traditionell wird vom Rumpf eines Buddelschiffs nur die obere Hälfte benutzt, und auf blaue Knete oder Fensterkitt gedrückt. Das soll dann das Wasser darstellen. Mir schwebt für den Rumpf allerdings etwas anderes vor, deswegen besteht die Konstruktion ja auch aus drei Teilen plus Oberdeck. Ich möchte gerne das ganze Schiff sehen, und zwar nicht wie im Trockendock, sondern auf großer Fahrt, zwecks diesen Behufes sind ja auch die Segel schon gebläht. Deswegen muss das Wasser durchsichtig sein. Ist zwar nicht besonders traditionell, aber das ist dann halt so. Eigentlich wollte ich Epoxy (Gießharz) mit Tusche etwas abtönen und die Oberfläche dann zu wilden Atlantikwellen aufpeitschen, durch die das Schiff stampft, aber Epoxy zieht lange fiese Fäden wenn man es berührt und versaut damit so ziemlich den Effekt. Außerdem stinkt es, ist nicht leicht zu verarbeiten und vergibt keine Fehler. Nicht grade optimal für den letzten Schliff - ich habe eigentlich keine Lust, das ganze Ding jetzt noch zu versauen.
Zum Glück ist mir noch eingefallen, dass es Ende der Achtziger so furchtbar kitschige durchsichtige Kerzen mit Glitter gab. Vorzugsweise in einer Sektflöte. Ein Glück nicht, weil die Welt nicht ohne besser dran gewesen wäre, sondern weil dieses Gel immer noch gekauft werden kann und flüssig wird, wenn man es erhitzt. Danach dann wieder gelatineartig fest.
Ein paar Experimente haben gezeigt, dass diese Substanz in Kochtopf auf kleinster Stufe schön dünnflüssig und fast blasenfrei gerät. Beim Abkühlen muss man warten, bis das Gel beim Kippen nicht mehr mitschwappt, dann kann die Oberfläche modelliert werden, ohne dass es klebt oder Fäden zieht.
Der Wermutstropfen ist die Erkenntnis, dass es sich nicht gut einfärben lässt (ist halt hydrophob) und dass die modellierten Formen weich wirken. Atlantikwellen gehen dann nur mit massiven Nacharbeiten, z. B. mit Silikon und Farbe für die Gischt. Oder halt kein Atlantik. Bei mir stampft die Rickmer Rickmers jetzt durch ruhige Südseewellen. So what?!
Die Plastikfolie, die als Rutsche durch den Flaschenhals dienen sollte, ist beim ersten Experiment direkt geschmolzen, aber die leere Milchtüte hat ihren Zweck sehr schön erfüllt.
Korken, Ständer und Wandhalterung
Auch wenn ich stolz auf das Schiff bin und es recht gelungen finde, möchte ich es eigentlich nicht so gerne im Regal herumstehen haben. Da nimmt es nur Platz weg, verstaubt und fällt runter. Eine Wandhalterung, die das problemlose Auf- und Abhängen der Flasche erlaubt, sowie ein Kragen für den Flaschenhals, damit sie nicht umkippt, gehören auf jeden Fall noch gemacht.
Außerdem habe ich bei meinen Recherchen den Eindruck gewonnen, dass es zum guten Ton gehört, auf eine Flasche mit einem unmöglichen Schiff drin noch einen unmöglichen Korken zu setzen, der eigentlich gar nicht durch den Hals passen dürfte und insbesondere nicht entfernt werden kann ohne die Flasche zu zerbrechen.
Das alles möchte ich schon noch machen, aber ehrlich gesagt reicht es dann auch. Aus ein paar Bambus-Frühstücksbrettchen, die ich auf dem Weg zu B.s Schule im 1€-Shop geschossen habe, habe ich einen Ständer gesägt, der die Flasche am Hals fest umschließt, so dass sie aufrecht auf dem Tisch stehen kann. Damit die Flasche nicht in diesem Ständer herumrutscht oder sich dreht, ist ein kleines Stückchen Stoff darin eingeklemmt.
Für die Wandhalterung habe ich mich mit meiner guten alten Oberfräse an einem weiteren Brettchen ausgetobt, so dass der Ständer hineinrutschen kann in Position gehalten wird. Das ganze Konstrukt wird an die Wand geschraubt. Dann ist die Buddel aus dem Weg und kann trotzdem jederzeit ab- und aufgehängt werden.
Der unmögliche Korken ist der Rest vom Vierkantholz mit einem Loch im einen Ende, durch das ich ein Stückchen Rundholz geschoben habe. Dabei kam mir das Werkzeug mit der Öse am Ende gerade recht: mit einem Faden durch die Öse blieb das Rundholz stabil und konnte in das Loch gefädelt werden. Ein weiterer Faden hat es dann an die richtige Position gezogen und ich hab dann nur noch einen Tropfen Leim an den Rand getan. Am anderen Ende (das aus der Flasche heraus guckt) ist ein Schaschlik-Spieß, auf den der Flaschendeckel einfach aufgefädelt und verleimt werden kann. Nach dem Trocknen Spieß ab - fertig.
Fast.
Noch an die Wand werfen, aber dann lass ich es auch gut sein.
Fazit(Quellen), Fehler und Fragen
Das hat Spaß gemacht. Dank der Hilfe vieler Internetseiten (allen voran Ships in bottles, die verrät wirklich jeden Zaubertrick!) konnte ich dieses unmögliche Projekt tatsächlich zufriedenstellend beenden. Als Informations- und Inspirations-Quellen kam folgendes zum Einsatz:
- Ships in bottles: alles
- Wikipedia: Impossible Bottle
- Deutsche Buddelschiffer Gilde: brauchbare Linkliste
- Instructable: Building a ship in a bottle
- Youtube: How to build a ship in a bottle - By Captain Dan Berg
- StormTheCastle: How to Make a Ship in a Bottle
Natürlich klappt niemals alles, und auch wenn ich froh und stolz bin, möchte ich die Probleme und Fehler nicht verschweigen:
- Das Wasser. Es gibt offenbar einen guten Grund, warum kein Schwein transparentes Wasser in Buddelschiffe macht: es ist unfassbar schwer, es realistisch hinzubekommen. Ich hab’s einfach aufgegeben und es genommen, wie’s kam. Et kütt wiet kütt.
- Die Passform der verschiedenen Teile des Rumpfs war zu stramm und es sind Ritzen dazwischen geblieben. Teilweise konnte ich die einigermaßen mit Farbe kaschieren, aber insbesondere das Oberdeck ist wegen der Segel schlecht zugänglich. Da ist die Ritze gut zu sehen.
- Der Großmast ist ein kleines bisschen zu lang und passt nicht ganz aufrecht in die Flasche. Das ist nicht so schlimm und kaum zu sehen, aber weil die Wanten und Stagen auf einen senkrechten Mast abgestimmt sind, sieht man die Fäden schon recht deutlich herumschlackern.
- Die Größenverhältnisse stimmen hinten und vorne nicht: der Rumpf ist zu breit für die Länge und die Masten nicht hoch genug für den Rumpf. Dafür sind die Rahen zu breit und die Anzahl der Segel stimmt nicht. Außerdem sind die Deckaufbauten falsch und die Form des Rumpfes passt eher zu einer Kogge als zur Rickmer Rickmers.
Nichts Schlimmes also, und auch nichts was mir den Tag verderben könnte. Aber was bleibt wenn die Party vorbei ist, sind die üblichen Fragen:
- Warum sollte jemand mehr als ein einziges Buddelschiff machen?
- Was jetzt?
- Und der Klassiker: Wie genau funktionieren eigentlich Magneten?
Falls jemand die Antwort kennt oder sich sonstwie mitteilen möchte, z.B. um zu sagen wie unfassbar toll dieses Buddelschiff ist oder um selbst ein paar Fragen loszuwerden: hinterlasst eine Nachricht nach dem Piep oder in den Kommentaren.